Der Strand von Nungwi mit den traditionellen Dhaus

Der Strand von Nungwi mit den traditionellen Dhaus
Der Strand von Nungwi mit den traditionellen Dhaus

Samstag, 17. Dezember 2011

S.M.Z.

Plakate auf dem Platz zwischen Supermarket und Schule - eine ganz spezielle Kombination...
SMZ: Gross prangen diese Buchstaben ueber dem Schriftzug der Nungwi School. Wahr- scheinlich bedeuten sie “Schul-Ministerium von Zanzibar” – dachten wir jedenfalls am Anfang. Bestaerkt wurde diese Meinung bei unserem Besuch in Stone Town mit Lydia Kilindo, einer hier ansaessigen Deutschen, die mit einem Sansibari verheiratet ist und mit ihm zwei Kinder hat. Dieselben Buchstaben waren auch auf dem Schild des Erziehungs- ministeriums angebracht, das wir miteinander aufsuchten. Aber bald war klar, dass S.M.Z. bei ALLEN staatlichen Einrichtungen zu sehen ist, beispielsweise auch am Praesidenten- palast, dem Spital oder bei verschiedenen Ministerien. 
 




Links bei dem Buero des Nungwi-Oberlehrers ist der Schriftzug SMZ nicht so gut zu sehen, dafuer unten auf der Tafel am neuen Schul- gebauede fuer die oberen Sekundarklassen
Das Raetsel loeste sich fuer uns, als Bettina in der letzten Schulwoch vom Schulleiter tat- saechlich zwei Buecher mit sogenannten Syllabi (Stoffplan) fuer Mathematik und Englisch in der Primarschule erhielt. Da stand naemlich in Grossbuchstaben “THE REVOLUTIONARY GOVERNMENT OF ZANZIBAR”, gekroent von einem Emblem mit Inseln und Meer, Palme und Akazie – und dem Schriftband “Serikali Mapinduzi ya Zanzibar”! Also eine revolutionaere Regierung? Zum Verstaendnis dieses Ausdrucks muss vielleicht ein wenig ausgeholt werden: Nachdem 1961 die Kolonialmacht Grossbritannien Tanganjika (Festlandteil Tansanias) und 1963 Sansibar (dem Archipel) die Unabhaengigkeit zugestand, wurde auf der Insel eine konstitutionelle Monarchie unter dem damaligen Sultan errichtet. Wenige Wochen danach, im Januar 1964, brach dagegen eine Revolution aus, waehrend welcher einige Tausend Sansibaris getoetet wurden. Dem damaligen ersten Praesident Tanganjikas, Julius Nyerere, gelang es, die revolutionaeren Kraefte zu beruhigen, indem er den Politikern Sansibars eine wichtige Rolle in der neu ausgerufenen Vereinigten Rebublik von Tansania einraeumte. Aber offenbar haben sich die Sansibaris auch danach ihren rebellischen Geist bewahrt, was an punktuellen Aufstaenden gegen die Zentralregierung in den folgenden Jahren abzulesen ist.

Wir selber haben den Eindruck, dass das “mainland” mehr oder weniger homogen von Bantus (und eingestreuten Massai-Staemmen) bewohnt wird, die vorgelagerten Inseln aber von einem Vielvoelkergemisch aus den Zeiten des bluehenden Gewuerz- und Sklaven- handels, in welchem als Religion der Islam vorherrscht. Ob das zu einem Sonderstatus von Sansibar beitraegt, ist mir nicht ganz klar, sicher aber hat die Inselwelt eine gewisse Auto- nomie, die offenbar eine vom Festland unterschiedliche Entwicklung zur Folge hat. Uns wurde mindestens gesagt, dass die Schulen (und die Strassen) auf dem Festland in besserem Zustand seien als auf der Insel, und Hoteliers in Nungwi bevorzugen jedenfalls nicht-einheimische Arbeitskraefte, da sie besser ausgebildet und zuverlaessiger seien. Immerhin ist in manchen Laeden, Bueros und staatlichen Institutionen neben dem Bild des aktuellen tansanischen Praesidenten Jakaya Mrisho Kikwete auch ein Konterfei des sansi- barischen Praesidenten Ali Mohamed Shein aufgehaengt (er stammt uebrigens von der Insel Pemba). Und eben: die Stoffplaene sind hier nicht tansanisch, sondern sansibarisch – der Foederalismus laesst gruessen!
Bettina mit ihren Francais-Zusatzschuelern
Zu den genannten Dokumenten noch eine interessante Feststellung: in der Einleitung der 2009 herausgegebenen Schriften ist ausgesagt, dass die Primarschule statt wie vorher 7 neu 6 Jahre umfasst, wobei Englisch ab der ersten Klasse unterrichtet wird und ab Klasse 5 auch manche anderen Faecher in Englisch sein sollen. Das ist natuerlich ausserordentlich wichtig, den in der Sekundarschule sollen alle Faecher in Englisch gefuehrt werden – eine sicher gute Absicht, die aber noch auf ihre Realisation wartet, was Nungwi anbetrifft. Wir sind gespannt, was wir in Fukuchani antreffen, wo wir am Dienstag vor unserer Abreise noch einen Termin mit dem dortigen Schulleiter haben! Kennengelernt haben wir ihn durch unserern Mentor an der Nungwi-Schule, und erstaunlicherweise haben wir ihn in Stone Town angetroffen, als wir von unserer “Kenya-Ferienreise” nach Ende des hiesigen Schuljahres zurueck kamen.

(Es gibt hier keinen blog von unserer letztwoechigen Safari im Maasai Mara Park, da sie mit Sansibar und unserem Einsatz nichts zu tun hat. Die entsprechenden Bilder sind aber auf facebook zu sehen: https://www.facebook.com/media/set/?set=a.2641786456791.127804.1619468519&type=1).      


Sonntag, 4. Dezember 2011

Gedanken zu “unserer” Schule



Stundenplan der 2. Sekundarklasse mi 6 Englisch-Lektionen
Nun haben wir doch noch fast zwei Monate an der Sekundarschule in Nungwi verbracht und dabei manchen Einblick in Zusammenhaenge und Fakten erhalten, von denen wir anfangs keine blasse Ahnung hatten. Die Schuelerinnen und Schueler sind groesstenteils freundlich und anstaendig, wenn auch das Mitmachen im Unterricht nicht gerade hoch im Kurs steht. Groesstes Hindernis ist klar die Fremdsprache Englisch, die fuer alle Faecher obligatorisch ist (ausser natuerlich bei Kiswaheli, Arabisch und Religion).
Kreis-Geometrie im Freien mit dem msungu-teacher

Die Sekundarschule hat 10 Klassenzimmer und ein sogenanntes Laboratorium mit einigen chemischen Stoffen, das letztere mit abschliesbaren Fenstern und Tueren. Die Haelfte der Schulzimmer ist mit Sitz- und Schreibgelegenheiten ausgeruestet, in den uebrigen wird dem Unterricht am Boden sitzend gefolgt. Die Standardausruestung saemtlicher Raeume besteht aus einer breiten Wandtafel, die vom vielen Kreidestaub schon reichlich aufgehellt ist, und jedem Lehrer werden vor Beginn der Lektion zwei schoene neuer weisse Kreiden ausgehaendigt. Eigentlich sieht das Tanzanische Erziehungsministerium Lehrbuecher fuer alle Schueler vor, aber meist teilen sich die Anwesenden in die vorhandenen 10 bis 12 Mathe- oder Biologie-Buecher – und das bei Klassengroessen von 24 (3. Sek, Wissenschafts-Klasse) bis 50 (1. Sek). Aehnlich sieht es bei den Exemplaren frueherer Promotionspruefungen aus: zur Vorbereitung der Kandidatinnen und Kandidaten stehen gerade einmal 1 oder 2 Beispiele zur Verfuegung – und das fuer die beispielsweise rund 100 Schueler der 2. Sekundarklassen…

Wenn Bettina und ich auf der Zementbank im Eingang zum Schulleiter-Buero im Schatten sitzen und beispielsweise Tests korrigieren, dann kommt es hin und wieder vor, dass ein einheimischer Fuehrer mit wohlmeinenden weissen Touristen, offensichtlich meist aus Europa, auftaucht. Diese oeffnen dann ihre Taschen und leeren Pakete mit Bleistiften, Kugelschreibern und Radiergummis, eventuell auch einen Fussball mit zugehoeriger Pumpe auf den Tisch - weil ihnen wahrscheinlich gesagt wurde, die armen Negerlein in Afrika haetten solche Dinge noetig. Lehrer oder Schulleiter nehmen diese Gegenstaende ohne viele Worte und einem resignierten Schulterzucken entgegen, und die Feriengaeste ziehen sich anschliessend wieder zurueck in ihre Hotel-Luxuszimmer oder die Bungalows an der Kueste…

Wie immer und ueberall ist solches “Schenken” auch hier sehr problematisch. Natuerlich sehen wir in Afrika Armut, schlechte Ernaehrung oder Hunger, eine ganz andere Lebenseinstellung und fremde Verhaltensweisen, die uns dazu verleiten, ganz spontan mit einfachen Gaben helfen zu wollen, damit die Menschen bessere (wie wir sie verstehen) Lebensverhaeltnisse realisieren koennen. Dafuer erwarten wir natuerlich auch die Dankbarkeit der Beschenkten und merken nicht, wie wir ihr Selbstwertgefuehl empfindlich verletzen. Meinte doch einer der Lehrer: ”Schreibzeug koennen wir selber fuer wenig Geld kaufen. Was wir brauchen, sind Buecher und Schulmoebel!” 
 
Schul- und Gemeindebilbliothek, neue Buecher...
Und da hat er wirklich recht, obwohl der Mangel an Buechern einen anderen Hintergrund hat als der Mangel an Schulinventar. Auf jeden Fall denken wir, dass vor dem Schenken ein echter Informationsaustausch mit den Beteiligten stattfinde muss, um eben herauszufinden, was wirklich benoetigt wird. Natuerlich wird alles angenommen, was hierher gebracht wird – aber meist verschwindet es in der Versenkung (wir fanden im zB Schulbuero eine Schachtel mit Infusionsbesteck) oder es wird versilbert, wenn es nicht einem echten Beduerfnis entspricht. Wir haben das Gefuehl, dass wir durch unseren Aufenthalt in der Schule ein gewisses Mass an Vertrauen haben etablieren koennen, welches anderen Freiwilligen nach uns den entsprechenden Dialog erleichtern sollte.

Mindestens eine direkte Erfolgsstory soll hier nicht verschwiegen werden. Und da meine ich nicht etwa das Ausmisten und Neueinrichten der Bibliothek, da diese offensichtlich ihr Dasein auch einem Gedanken von "ausserhalb" verdankt – oder Bettinas grossen Einsatz zur Formulierung eines Austauschprojekts mit einer Schule in Wales – oder unsere Aktion zum Einbinden der Schulbuecher. 

Reparaturbeduerftiges Mobiliar findet Hilfe...
...bei den fundi-Lehrern & -Schuelern
Nein, es ist das, was ganz einfach aus unserer Frage entstanden ist, ob die vielen ramponierten Schulbaenke in einem Abstellraum nicht repariert und wieder ge- brauchsfaehig gemacht wer- den koennten. Der Schulleiter meinte zwar, dass es dazu einen “fundi” (siehe Bedeutung in frueheren blogs) brauche, aber der etwas initiativere Lehrer, der fuer uns in der Zwischenzeit zu einem Freund geworden ist, liess es uns mit seiner Hilfe immmerhin versuchen: in der allerletzten Schulwoche (der Unterricht ist nun sowieso am Ausfransen) haben wir in vier Tagen in Gemeinschaftsarbeit und dem Einsatz der Werkzeuge von Malou & Barbara 12 schwere, massive hoelzerne Dreier-Schulbaenke (wir kennen sie noch aus unserer fruehesten Primarschulzeit) wieder hergestellt und eben so viele aus den Schulzimmern repariert! Vielleicht macht ja ein solcher, unmittelbar  sichtbarer Erfolg Schule in der Schule von Nungwi…    
Bettinas persoenlicher Erfolg ist sicher auch ihre Hilfe in Englisch fuer Konversation & Pruefungsvorbereitung  (und sogar Franzoesisch!)




Samstag, 3. Dezember 2011

Einsichten - Aussichten


Herstellung von Schuluniformen
Wenn man von der Endstation des Dalla-Dallas in Nungwi dorfauswaerts geht, passiert man eine Reihe von kleinen Geschaeften. Einige sind Verkaufslaeden mit diversen Angeboten, die anderen aber werden von den schon frueher erwaehnten “fundis” betrieben, eben Fachleuten verschiedenster Gebiete. Bei einem von ihnen habe ich vor einiger Zeit einen geschaelten schlanken Baumstamm gekauft, um dem Tischblatt in unserm Hof neue Beine zu verpassen. Dann gibt es da Spezialisten fuer Schmiedearbeiten (viele Tore zu Grundstuecken sind geschmiedet), fuer Schuhwerk (es gibt da lederne Sandalen, aber auch solche, die aus ausrangierten Toeffreifen hergestellt sind), fuer Kleider (mit hand- bzw fussbetriebener Naehmaschine Marke Butterfly oder gar Singer) oder fuer Moebel. Der Holzfundi in unserer Naehe war so grosszuegig, mir das Holz zur Herstellung eines Wandtafelzirkels fuer den Geometrie-Unterricht kostenlos zu ueberlassen, als ich ihm dessen Verwendungszweck erlaeuterte!  

Frauen bringen Korallenkies zum Betonieren
Schon seit einiger Zeit ist auf dem Grundstueck hinter dem Garten neben unserem Haus eine emsige Taetigkeit zu beobachten. Ein Haus ist in traditioneller Bauweise im Entstehen begriffen. Zuerst wurde der Boden mehr oder weniger planiert, mit Steinen eingeeebnet und die Fundament-Mauern errrichtet. Solche Maeuerchen sieht man uebrigens im und ums Dorf sehr viele, was darauf schliessen laesst, das das Geld nur zum Anfangen und nicht mehr zum Beendigen des geplanten Bauwerks gereicht hat. Aktuell sind nun schon die Mauern aus Betonziegeln hochgezogen, die armierten Eckpfeiler betoniert und die Decke gegossen: zuerst werden Holzstangen gelegt, auf welche die Bretter zu liegen kommen, die nachher mit Steinen belegt und mit Beton ausgegossen werden. Die Qualitaet solcher Decken ist kaum mit unseren Standards zu messen, dringt das Wasser doch bei derjenigen in unserem Haus immer mal wieder durch. Interessant, dass beim Heranschleppen des Korallenkieses auch eine ganze Gruppe von traditionell gekleideten Frauen im Einsatz war (siehe linkes Bild). Wie werden wohl die Bau-fundis nun mit der immensen Menge von unterschiedlichen Staemmen und Stangen das Dach aufrichten und dann decken?
Hier ist die teilweise Antwort auf die oben gestellte Frage!
Dieser kurze Ueberblick vermittelt einen kleinen und sicher nicht vollstaendigen Einblick ueber die beruflichen Taetigkeiten der Einwohner von Nungwi, welche sich wenn nicht als fundis groesstenteils in der Landwirtschaft (Kuehe, Gefluegel, Fruechte, Gemuese) und der Fischerei ihren Lebensunterhalt verdienen. Damit ist auch gesagt, dass Schulabgaenger keine weit gestreuten Aussichten auf einen grossen Verdienst haben, wenn sie nach den grundsaetzlich freiwilligen sieben Primarschuljahren die Schule verlassen. Wie wir aus diversen Unterhaltungen mit Leuten im Dorf und am Strand gelernt haben, ist das bei einem Grossteil der Bevoelkerung der Fall. Immerhin muessen ja die Schueler am Ende des 7. Schuljahres eine Pruefung bestehen, um in die Sekundarschule eintreten zu koennen – und das nur mit einem einzigen Versuch. Wer in der Sek hart arbeitet, kann hier in Nungwi noch 4 weitere Jahre die Schule besuchen, wenn er dann nach der 2. Klasse die Huerde einer weiteren einmaligen Promotionspruefung schafft. Fuer die 5. Und 6. Oberstufe muss der Weg nach Stone Town in Kauf genommen werden, was die Ausbildungskosten fuer die Eltern meist ins Untragbare wachsen laesst. Woher soll auch ein Fischer mit zwei Frauen und einer etwa10-koepfigen Kinderschar das noetige Kleingeld zusammenkriegen?

Bettinas 2. Sek-Klasse im Schulzimmer
“Eine gute Schulung ist die Basis zu einem guten Einkommen und einem angenehmen Leben!” Das wird nicht nur bei uns, sondern auch auf Sansibar so propagiert, wo die Primarschule grundsaetzlich kostenlos ist. Die Eltern muessen “nur” die Schuluniformen und einen Lehrmittelbeitrag entrichten, was aber schon ein (finanzielles) Hindernis fuer viele Eltern ist, ihre Kinder ueberhaupt zur Schule zu schicken. Deshalb setzt sich “Maisha Zanzibar” ja dafuer ein, dass Kinder aus armen Familien (teilweise vater- oder mutterlos bzw Vollwaisen) diese Ausruestung kostenlos erhalten und so die Moeglichkeit zum Schulbesuch erhalten. *
Ob sie es dann schaffen, haengt zum groessten Teil von ihnen selber ab, da meistens die Unterstuetzung durch die Familie, die Nachbarn und eben leider auch durch die Schule fehlt. Diejenigen, die durch die ganze Nungwi-Schule und allenfalls auch diejenige in Stone Town durchkommen und diese Schulungskosten auch aufbringen koennen, haben sicher die Aussicht auf ein besseres Leben als die meisten anderen Dorfbewohner. Die meisten gehen nach 7, 9 oder auch 11 Jahren von der Schule ab und verdienen sich den Lebensunterhalt als beach-Unternehmer (vermitteln Schiffsausfluege, Tauch- und Schnorchelexkursionen, verkaufen Schmuck und andere Souvenirs, verdingen sich als Fuehrer etc) oder eben als Bauern, Fischer oder - fundis (siehe oben!)…  

* Falls der geneigte Leser allenfalls bereit ist, einem Schulkind in Nungwi zu helfen und es mit einem jaehrlichen Beitrag zu unterstuetzen, dann kann er sich auf www.maishazanzinbar.org ueber die entsprechende Moeglichkeit informieren…